Berlin, 30.11.2004– Einige Vogelschützer setzen Windräder mit Mordmaschinen gleich. Da wird von „geschredderten“ Vogelschwärmen berichtet, von blutigen Kadavern am Fuße der Windradtürme und vom Abwandern ganzer Arten. „Das Thema Vogelschutz und Windenergie ist emotional stark aufgeladen“, so Peter Ahmels, Präsident des Bundesverbands WindEnergie (BWE): „Doch wer mit Vogelkundlern spricht, erhält ein sehr differenziertes Bild der Problematik. Windenergie und Vogelschutz sind kein Widerspruch.“
Dass Windkraftanlagen zur friedlichen Koexistenz mit Vögeln fähig sind, belegen etwa Beobachtungen in Niedersachsen, über die der Deutsche Naturschutzring berichtet: Im Wybelsumer Polder westlich von Emden wurde 1999/2000 ein Windpark mit 44 Windenergieanlagen errichtet. Heute zählt man dort mehr Vögel als früher: Von den 21 regelmäßig vorkommenden Gastvogelarten kommen nur drei Arten in geringeren Beständen vor. Die Bestände von acht Arten blieben gleich. Und zehn Arten haben sich deutlich vermehrt.
Vogeltod durch Windkraft kommt hierzulande vergleichsweise selten vor: Der BUND rechnet mit durchschnittlich 0,5 toten Vögeln pro Anlage und Jahr, derzeit also statistisch rund 8.000. Zum Vergleich listet der BUND auf, dass „jeweils ca. 5 - 10 Millionen Vögel im Straßenverkehr und an Hochspannungsmasten pro Jahr in Deutschland sterben“. Auch den mysteriösen Tod von 200 Fledermäusen in einem Brandenburger Windpark konnten Wissenschaftler klären: Die Tiere hatten sich eine Windrad-Gondel als Schlafplatz ausgesucht, wurden aber nicht von den Rotorblättern erschlagen, sondern sind verhungert. BWE-Präsident Ahmels: „Manchmal muss in einer Gemeinde der Vogelschutz herhalten, wenn Politik, Bau- und Immissionsschutzrecht nicht auf der Seite der Windkraftgegner stehen.“ Ahmels mahnt eine Versachlichung der Diskussion und mehr Langzeitstudien an.
So stellten Wissenschaftler der TU Berlin in einer Langzeitstudie fest: Die meisten Brutvögel zeigten eine „geringe Empfindlichkeit gegenüber Windenergieanlagen“ auf. Dass Langzeitstudien unerlässlich sind, glaubt auch der emeritierte Biologie-Professor Hans-Heiner Bergmann. Vögel können sich laut Bergmann an die menschliche Zivilisation und ihre technischen Errungenschaften mit der Zeit gewöhnen. So lag etwa die Fluchtdistanz von arktischen Wildgänsen gegenüber Bundesstraßen vor zwanzig Jahren noch bei 500 bis 1.000 Metern, während die Wildgänse heute bis auf 30 Meter an die Straße heranrücken. Auch an Windräder hätten sich einige Schwärme bereits gewöhnt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Frank Bergen: In seiner Doktorarbeit analysierte der Biologe über drei Jahre lang das Verhalten von Vögeln in mehreren westfälischen Windparks. Demnach hätten Windräder auf Greifvögel wie Mäusebussard, Turmfalke und Rotmilan „keinen signifikanten Einfluss“.
Wird ein Windpark gebaut, greifen Planer und Betreiber heute auf verschiedenste Methoden zurück, um dem Vogelschutz gerecht zu werden. So können Ornithologen mit Hilfe modernster Software Landschaften vogelgerecht bewerten und bei der Planung eines Windparks entsprechende Szenarien entwerfen. Deren Visualisierung gleicht dann Wärmebildern, auf denen man leicht mögliche Bestandsveränderungen einzelner Vogelarten nachvollziehen kann. Ahmels: „Die Ornithologie zeigt, dass sich Vogelschutz und Windenergie durchaus ergänzen können. Dazu sind jedoch einheitliche Analyse-Instrumente und mehr Langzeitstudien notwendig. Und wer die Windenergie mal aus der Vogelperspektive betrachtet, wird feststellen, dass eine emissionsfreie Stromerzeugung unserer Flora und Fauna äußerst gut tut.“